Was lange währt...

Was lange währt...
Alte Donau, Wien 21. Bezirk - Canon 650D mit EF-S 18-135mm (35mm), F/16, 1/1000, ISO 400

„Was lange währt, wird endlich gut“, heißt es so schön im Volksmund. Manchmal fühlt es sich tatsächlich so an, als ob die Zeit stehengeblieben wäre.

Zurück in Wien, meiner früheren Heimat und langjährigen Wirkungsstätte, genieße ich es besonders, alte Freunde wiederzutreffen – so auch letzten Sommer. Beim gemütlichen Erkunden der neuen Wohnung eines Freundes fiel mein Blick plötzlich auf etwas sehr Vertrautes: Eine Kamera schlummerte unbeachtet in einem Regal im zukünftigen Arbeitszimmer. Es war eine Canon EOS 650D, eine Einsteiger-Spiegelreflexkamera aus dem Jahr 2011. Genau so eine Kamera hatte ich einst selbst, die mich damals treu begleitete und dabei wahrlich einiges aushalten musste!

Auf mein Interesse angesprochen, erntete ich jedoch nur ein Schulterzucken: „Das Teil ist alt und macht eh keine scharfen Fotos mehr.“ Oder, wie man in Wien charmant sagen würde: „Geht eh nimmer g'scheit!“ Außerdem sei doch das neue iPhone viel besser geeignet, um schöne Fotos zu machen – oder etwa nicht?

Genau das wollte ich herausfinden! Ein kurzer Blick aus dem Fenster versprach bereits Außergewöhnliches: Der sanfte Sommerregen ebbte gerade ab, und am Horizont begann die Wolkendecke aufzureißen. Ein magischer Moment, in dem goldene Sonnenstrahlen die letzten Regentropfen wie kleine Diamanten funkeln ließen.

Schnell schnappte ich mir die Kamera samt Kit-Objektiv, einem Canon EF-S 18–135 mm, stellte sie manuell auf Blende 16, und eilte hinaus auf den Balkon. Ein beherzter Druck auf den Auslöser, direkt hinein in dieses spektakuläre Naturschauspiel: Die zaghaft durchbrechende Abendsonne kämpfte sich durch den letzten verbliebenen Sommerregen hindurch – eingefangen in perfekter, nostalgischer Klarheit.

Floridsdorf, Wien 21. Bezirk - Canon 650D mit EF-S 18-135mm (35mm), F/16, 1/1000, ISO 400

Um herauszufinden, wie sich die Kamera bei maximaler Brennweite schlägt, zoomte ich anschließend auf 135 mm: Zuerst einmal mit Autofokus direkt gegen das Fenster...

Spiegelung in den Regentropfen - Canon 650D mit EF-S 18-135mm (135mm), F/8, 1/400, ISO 100

…und anschließend manuell, bewusst leicht daneben fokussiert – eine herrliche Spielerei.

Regentropfen unscharf - Canon 650D mit EF-S 18-135mm (135mm), F/8, 1/500, ISO 100

Doch die Sonne bewegt sich schnell und steuert zielstrebig Richtung Horizont, der hier in Wien vom Kahlenberg und diversen Gebäuden begrenzt wird. Also schnell auf die Straße, an den Häusern vorbei in Richtung „Alte Donau“. Immer wieder Schnappschüsse gegen die Sonne, die sich spielerisch hinter Wolkenschwaden versteckt. Die maximale Blende sorgt durch ihre Beugungsunschärfe für einen wunderbar soften Fokus, der im Gegenlicht die dunklen Silhouetten der Bäume besonders hervorhebt. In Kombination mit 135 mm verliert die Sonne viele ihrer Strahlen nach unten – ein grandioser Anblick!

Sonnenuntergang am Kahlenberg über Wien - Canon 650D mit EF-S 18-135mm (135mm), F/36, 1/4000, ISO 1600

Nur wenige Sekunden später, mit denselben Einstellungen, entstand ein neues Bild: Die Wolkendecke öffnete sich weiter, und das Farbenspiel wurde noch dramatischer. Die Sonne zeigte sich nun in ihrer vollen Pracht, als wollte sie extra für mich noch einmal alles geben.

Sonnenuntergang am Kahlenberg über Wien - Canon 650D mit EF-S 18-135mm (135mm), F/36, 1/100, ISO 200

Kurz darauf war sie fast hinter den Häuserfronten verschwunden...

Alte Donau, Wien 21. Bezirk - Canon 650D mit EF-S 18-135mm (35mm), F/16, 1/1000, ISO 400

…also weiter zur Alten Donau! Doch hier wartete eine weitere Überraschung: Die Sonne durchbrach plötzlich die Wolkendecke vollständig und schwebte scheinbar schwerelos zwischen dem Kahlenberg mit seinem markanten Sendemast und den Wolken, gegen die sie zuvor noch gekämpft hatte. Ein faszinierendes Schauspiel! Die Kombination aus 135 mm und maximaler Blende sorgte dabei für einen weichen Fokus und ließ die Ränder von Bergen und Bäumen regelrecht „glühen“.

Sonnenuntergang am Kahlenberg über Wien - Canon 650D mit EF-S 18-135mm (135mm), F/36, 1/100, ISO 200

Kaum reduzierte ich die Brennweite auf meine Lieblingsweite von 35 mm, bot sich mir ein fast schon klischeehaft romantisches Motiv auf der Alten Donau: Ein Pärchen, das mit dem Tretboot nach einer Runde langsam Richtung „Hafen“ zurückkehrte – ein wunderschöner Moment, der unbedingt eingefangen werden musste.

Alte Donau, Wien 21. Bezirk - Canon 650D mit EF-S 18-135mm (35mm), F/16, 1/1000, ISO 400

Alle Fotos entstanden im RAW-Format und wurden minimal bearbeitet, sind also weitgehend „out of cam“. Natürlich besitzt der alte Sensor nicht den Dynamikumfang moderner spiegelloser Vollformatkameras und Filter waren auch nicht geifbar. Doch geschickt eingesetzt, verwandeln sich dunkle Silhouetten im warmen Abendlicht in malerische Szenerien – oder was meint ihr?

Am Ende unterscheidet uns technikbegeisterte Nerds wohl genau das von den „reinrassigen Künstlern und Fotografen“: Die Begeisterung dafür, was man mit vermeintlich veralteter Technik noch alles zaubern kann.

Eines steht jedenfalls fest: Der Kamera fehlte gar nichts – es hat sich nur nie jemand richtig damit beschäftigt. Denn am Ende ist es nicht die Technik, die zählt, sondern das Auge dahinter. Vielleicht mögen „Experten“ die Bilder auf ihre technische Qualität reduzieren – doch Kunst darf imperfekt sein, und genau darin liegt oft ihre Schönheit.

So wurden die Fotos schließlich zu einer wunderbaren Erinnerung an einen entspannten Abend unter Freunden in meiner alten Heimatstadt. Ganz besonders wertvoll war mir aber der überraschte Ausdruck auf den Gesichtern der Kamerabesitzer, als wir die Ergebnisse einige Tage später gemeinsam bestaunten.